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HAUSBOOT-GESCHICHTEN

Zwei Lebewesen und ihr Alltag auf und rund um das Hausboot. Die Geschichten von Frauke und Ferkelchen. Zum Lesen, Spielen, WeiterSpinnen. Folge Drei:

Na prima! „Es sieht hier aus wie im Saustall“, Frauke ist wütend. In Ferkelchens Ecke liegen die Spielsachen rum, das kleine Schiff aus Rinde lehnt kopfüber am Stuhl; angeknabbertes Brot mit dem typischen Ferkelbiss stapelt sich im Bett, und die Holzeisenbahn hat ihre letzte Fahrt mitten im Zimmer beendet. Eben ist Frauke darüber gestolpert, jetzt schimpft sie und reibt sich den schmerzenden Fuß.
„Entschuldige mal, achte bitte auf deine Vergleiche!“ Ferkelchen ist sauer. „Was für euch Menschen ein Schimpfwort ist, ist für uns Schweine eine Wohnung! Und schließlich: Würdet ihr Menschen die Schweine nicht einsperren, gäbe es gar keinen Saustall. So!“
„Ach du, du bist doch überhaupt kein richtiges Schwein. Du bist doch nur aus Plüsch!“
„Sei froh, sonst würde es hier auch riechen wie im Saustall! So, so!“, Ferkelchen verkriecht sich unter dem Brotscheibenberg. Immer, wenn Ferkelchen sauer ist, sagt es ganz oft „So!“ Je öfter das „So!“, desto sauerer Ferkelchen. Das letzte Mal war Ferkelchen sauer, als sein Lieblingsjoghurt im Supermarkt ausverkauft war und die Verkäuferin sagte, Plüschschweine würden doch ohnehin keinen Heidelbeerjoghurt essen. Machen sie aber. „So! So! So!“

HEIDELBEER-JOGHURT

Es zappelt und wackelt unter dem Brotberg. Frauke hat ein schlechtes Gewissen. „Ferkelchen?“ Keine Antwort. „Ferkelchen, ich habe Heidelbeerjoghurt gekauft. Möchtest du?“ Keine Reaktion, aber das Wackeln hört auf. Meine Güte, ist dieses Schwein stur.
„Naja, ich esse jetzt jedenfalls welchen“. Frauke klappert mit dem Löffel auf das Joghurt-Glas. „Wenn du meinen Heidelbeerjoghurt aufisst, dann gehe ich auf der Stelle.“ Pause. Kein „So!“. Eine rosa Nase lugt unterm Brotberg hervor, dann kleine Schweinsäuglein. Ferkelchen schluchzt. Achduje!
„Entschuldige, ich wollte dich nicht kränken.“ „Ich weiß ja. Aber ich hab Heimweh, nach meinen Verwandten, nach den echten Schweinen.“ Ferkelchen schluchzt nochmal und schnieft dann in den Bettdeckenzipfel. „Na gut, ich räum auf. Aufräumen vertreibt bestimmt das Heimweh.“
„Warte, ich helf dir“. Beide greifen gleichzeitig nach der Bettdecke. Ziehen dran. „Kissenschlacht!“ ruft Ferkelchen. Das erste Kissen fliegt. Das Sofakissen fliegt hinterher. Buff!
Frauke kann gerade noch ausweichen – und landet mittendrin im Brotscheibenberg. Das Joghurtglas fällt um. „Was für eine Sauerei!“, schimpft Frauke.

SCHWEINESTALL-TOURISMUS

„Sag lieber Lebensmittelverschwendung“, schnauft Ferkelchen und schlabbert den ausgelaufenen Heidelbeerjoghurt auf. Auf dem Bett zurück bleibt nur ein lila Fleck. „Guck mal, fast die gleiche Farbe wie ich, nur dunkler“. Ferkelchen legt sich neben den Fleck. Tatsächlich. „Na, dann schenke ich dir demnächst Heidelbeer-Bettwäsche, dann kannst du dich ganz wie zuhause fühlen.“
Ferkelchen erschrickt: „Aber ich bin doch hier zuhause?“. Es fängt wieder an zu schluchzen. Na, da hat Frauke was angerichtet. „Das ist eine Redewendung, das sagt man halt so.“ Doch Ferkelchen schluchzt weiter. „Heimweh nach den Schweinen?“ Ferkelchen nickt stumm.
„Also gut, wir räumen auf und dann besuchen wir deine Verwandten.“, sagt Frauke. „Oooooch, können wir das nicht umdrehen? Erst meine Verwandten besuchen und dann aufräumen?“
„Okay.“ Lieber gibt Frauke nach, als noch länger so ein trauriges Ferkelchen zu sehen.

Frauke ruft Lars an. Lars ist Fraukes längster Freund und Stadtführer. Und Lars weiß, wo der nächste Bauernhof mit einem Schweinestall ist. Auch, wenn er Touristen dort eher selten hinführt. Also eigentlich nie.
„Was sind Touristen?“, ruft Ferkelchen vom Bett aus ins Telefon. „Menschen, die sich einen fremden Ort anschauen.“, antwortet Lars aus dem Telefon. „Dann sind wir Schweinestall-Touristen?“ „Ja, das sind wir.“, sagt Frauke.
Frauke packt Ferkelchen in ihren Fahrradkorb, dazu ihre Kamera. Und dann fahren sie endlich los.

FAMILIENFOTO

„Oh, sind die groß!“ Ferkelchen balanciert auf dem Gitter zum Schweinestall. Im Gehege liegt eine Sau auf dem Stroh, an ihren Zitzen schmatzen kleine Schweinchen. Ferkelchen beugt sich weit vor und zählt die Schweinchen. „Eins, zwei, drei, vier… Oooooch, die liegen so eng zusammen, ich kann sie gar nicht richtig sehen. Fünf, sechs…“. Ferkelchen beugt sich noch weiter vor und fällt, plumps, zwischen die kleinen Schweinchen.
„Familienfoto“ ruft Frauke und fotografiert Ferkelchen inmitten der acht kleinen Schweine. „Sag mal: Spaghetti“.
Das kleine Ferkelchen sieht zwischen den echten Ferkelchen ganz zerbrechlich aus. „Hör auf mit den Fotos, hol mich lieber hier raus“, jammert es. Eines der echten Ferkelchen hört auf zu schmatzen, reicht Ferkelchen seine Pfote und sagt: „Ich bin Laila, angenehm dich kennenzulernen.“ Ferkelchen reicht Laila seine Minipfote und sagt: „Freut mich, Ferkelchen.“ Jetzt heben auch alle anderen sieben Schweinchen ihre Köpfe und stellen sich vor. Lukas, Lissi, Lari, Luzi, Ludolf, Lana und Lex. „Und das ist unsere Mama Lotte.“ „Und Euer Papa?“, fragt Ferkelchen. „Der heißt Karl und wohnt im Stall nebenan.“

KRINGEL-WETTBEWERB

Drei Stunden später kommt Frauke in den Schweinestall zurück. Ferkelchen und die acht kleinen Schweinchen spielen immer noch. Gerade testen sie, wer sein Schwänzchen zu den meisten Kringelchen legen kann. Ferkelchen schneidet nicht gut ab, weil sein Schwänzchen kurz ist. Dafür hat es zuvor im Witze-Erzählen gewonnen.
„Jetzt wird es langsam Zeit zu schlafen“, sagen Schweinemama Lotte und Frauke fast zur gleichen Zeit. Alle neun Ferkel maulen. „Ihr könnt uns doch jederzeit wieder besuchen kommen“, sagt Mama Lotte. Ja, das machen sie bestimmt.

„Wo warst du eigentlich die ganze Zeit, Frauke?“, fragt Ferkelchen auf dem Nachhauseweg. „Ich habe mir den Bauernhof angeschaut.“ „Achso. Erzähl mal.“ Ferkelchen gähnt und schläft ein.
Frauke radelt vorsichtig nach Hause, ins Hausboot. Und legt Ferkelchen ebenso vorsichtig ins ungemachte Bett. Aufräumen haben wir wieder nicht geschafft, denkt sie noch. Dann schläft auch Frauke ein.